http://www.plan-deutschland.de Rechtsanwalt Marcus Kreuzinger: 02/01/2008 - 03/01/2008

Montag, 4. Februar 2008

Telefonwerbung ist und bleibt ein heißes Eisen

Verschiedentlich wurde in der Vergangenheit vor allem von Kollegen mit arbeitsrechtlichem Tätigkeitsschwerpunkt die Auffassung vertreten, Telefonwerbung gegenüber Selbständigen sei nicht wettbewerbswidrig, wenn es nur darum gehe, diesen Selbständigen Verdienstmöglichkeiten etwa als Kooperationspartner für den Vertrieb von Versicherungen, Bausparverträgen, Immobilien oder anderen Kapitalanlagen zu bieten. Begründet wurde diese Meinung damit, der BGH habe in seinem Urteil vom 04.03.2004 (AZ: I ZR 221/01 – Direktansprache am Arbeitsplatz) die telephonische Mitarbeiterwerbung für wettbewerbskonform erklärt, sofern das Werbetelefonat nicht übermäßig lang dauere.

Dass diese Auffassung unzutreffend ist, hat der BGH in zwei neueren Entscheidungen klargestellt:


1. Der Bundesgerichtshof bestätigt das Verbot der Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden (Urteil vom 16.11.2006, AZ: I ZR 191/03 - Telefonwerbung für "Individualverträge")

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte im Fall „Telefonwerbung für "Individualverträge"“ über die Klage eines Wettbewerbsverbandes gegen ein Unternehmen zu entscheiden, das als Vermittler von Aufträgen tätig ist und mit Handwerksunternehmen im Wege der Telefonwerbung Kontakt aufgenommen hatte.

Die per Telefon werbende Beklagte vermittelt und koordiniert Bauvorhaben zwischen Bauherren und deren Planungsbüros einerseits sowie Bauunternehmen andererseits. Mit ihren Geschäftspartnern schließt sie formularmäßig vorbereitete Verträge, durch die sich die Handwerker zur Zahlung einer Provision für jeden vermittelten Bauauftrag und daneben zur Einmalzahlung eines vierstelligen Betrages verpflichten. Ihre potentiellen Vertragspartner wirbt die Beklagte grundsätzlich über das Telefon an.

Der Kläger hat hierin eine unzulässige Telefonwerbung gesehen. Das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 24. Juli 2003, AZ: 6 U 36/03) hatte sich - anders als das Landgericht Frankfurt (Urteil vom 17. Januar 2003, AZ: 3/11 O 97/02), das die Klage abgewiesen hatte - dieser Auffassung angeschlossen und die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, Telefonwerbung zu betreiben, ohne dass ein vorheriges Einverständnis des Adressaten besteht oder aber zumindest Umstände vorliegen, aufgrund deren das Einverständnis mit einer solchen Kontaktaufnahme vermutet werden kann.

Der Bundesgerichtshof hat den Klageantrag für nicht hinreichend bestimmt erachtet. Er hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Kläger, der bislang von der Zulässigkeit seines Klageantrags ausgehen konnte, erhielt damit Gelegenheit, einen hinreichend bestimmten Klageantrag zu stellen.

In der Sache hat der Bundesgerichtshof jedoch die Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt ausdrücklich gebilligt, dass die beanstandete Telefonwerbung weder dem tatsächlichen noch dem mutmaßlichen Willen des angerufenen Handwerksunternehmens entspricht.

Bei einem Gewerbetreibenden könne zwar regelmäßig ein mutmaßliches Interesse an einer telefonischen Kontaktaufnahme durch potentielle Kunden, d.h. Bauherren, die Bauaufträge zu vergeben haben, vermutet werden. Von einem solchen Interesse könne aber gerade dann nicht ausgegangen werden, wenn die Kontaktaufnahme dem Angebot der eigenen Leistung des Anrufenden diene. Dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn das an den Gewerbetreibenden herangetragene Angebot auf dem Gebiet liege, auf dem der angerufene Gewerbetreibende selbst als Anbieter auftrete. Bei der Beurteilung der Frage, ob die erforderliche mutmaßliche Einwilligung als gegeben anzusehen sei, sei im Übrigen nicht nur auf die Art der Werbung, sondern auch auf deren Inhalt abzustellen. Nicht zu beanstanden sei daher auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein objektiv ungünstiges Angebot könne ein Indiz für das Fehlen der mutmaßlichen Einwilligung sein.

Da das vom Kläger begehrte Verbot allein zu einer Beschränkung in der Wahl des Mediums bei der Werbung führe, verletze es auch keine Grundrechte der Beklagten.

Dies heißt für die Praxis, dass sowohl Maklerpools als auch Vertriebsunternehmen, die freie Mitarbeiter als Untervermittler per Telephonwerbung zu akquirieren versuchen, weiterhin wettbewerbswidrig handeln. Denn sie bieten dem potentiellen Geschäfts-, Vertriebspartner oder künftigen Mitglied des Maklerpools ihre eigene Leistung an.


2. Der Bundesgerichtshof verdeutlicht, dass auch für Anrufe von Personalberatern am Arbeitsplatz enge Grenzen gelten (Urteil vom 22.07.2007 - Az.: I ZR 183/04 - Direktansprache am Arbeitsplatz III)

Auch in seiner Entscheidung „Direktansprache am Arbeitsplatz III“ macht der Bundesgerichtshof nochmals klar, dass die Auffassung, Telefonwerbung sei grundsätzlich erlaubt, selbst im Bereich der Suche neuer Mitarbeiter durch Personalberater nur unter eng begrenzten Bedingungen zutrifft.

Die Klägerin in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vertreibt Computer-Software. Sie beschäftigt hoch qualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter, deren Kenntnisse und Fähigkeiten sie durch Schulungen auf dem neuesten Stand hält. Der Beklagte befasst sich als selbständiger Unternehmer mit der Suche und Vermittlung von Führungs- und Fachkräften. Aufgrund eines Personalsuchauftrags nahm er telefonisch Kontakt mit einer Projektleiterin der Klägerin an deren Arbeitsplatz auf. Nach der Darstellung der Klägerin bot er der Mitarbeiterin bei diesem Gespräch eine Stelle als Projektleiterin bei einem ausländischen Softwareunternehmen an.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nach Ansicht des Oberlandesgerichts nichts Erhebliches dafür vorgetragen, dass der Beklagte sich bei dem zu Abwerbungszwecken geführten Telefongespräch nicht auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränkt habe. Insbesondere sei das Telefongespräch nach der Darstellung der Klägerin sofort beendet worden, als die Mitarbeiterin erklärt habe, an der Stelle nicht interessiert zu sein, und es fehle an schlüssigem Vortrag dazu, dass der Beklagte das Gespräch über Gebühr ausgedehnt und die Zeugin unlauter umworben habe. Der Personalberater habe die Mitarbeiterin zwar mit zentralen Daten aus ihrer Arbeitsbiographie konfrontiert. Damit habe er ihr jedoch lediglich in zulässiger Weise das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle aufgezeigt und ihr persönliches Interesse daran zu wecken gesucht. Somit liege kein wettbewerbswidriges Umwerben vor und die klagende Softwarefirma habe keinen Unterlassungsanspruch gegen den beklagten Personalberater.

Dies hat der BGH anders gesehen:

Der Bundesgerichtshof stellt zunächst unter Bezugnahme auf seine frühere Entscheidung vom 4. März 2004 (Direktansprache am Arbeitsplatz, AZ: I ZR 221/01) fest, dass bei der Beurteilung, ob ein Personalberater wettbewerbswidrig handelt, wenn er zum Zweck der Personalsuche mit dem Mitarbeiter eines Wettbewerbers seines Auftraggebers ein erstes Telefongespräch an dessen Arbeitsplatz führt, die berücksichtigungsfähigen Interessen des Personalberaters, seines Auftraggebers, des betroffenen Mitarbeiters und dessen Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen sind.

Danach ist eine erste Kontaktaufnahme nur dann nicht wettbewerbswidrig, wenn der Mitarbeiter lediglich nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt, diese kurz beschrieben und gegebenenfalls eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Unternehmens besprochen wird. Ein solcher erster Telefonanruf am Arbeitsplatz muss sich auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränken. Eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer ist bereits ein Indiz dafür, dass der Personalberater bereits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen, genutzt hat. Der Personalberater ist gehalten, nachdem er sich bekannt gemacht und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zunächst festzustellen, ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Nur wenn dies der Fall ist, darf der Personalberater die in Rede stehende offene Stelle knapp umschreiben und, falls das Interesse des Mitarbeiters danach fortbesteht, eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsbereichs verabreden. Ein zu Abwerbungszwecken geführtes Telefongespräch, das über eine solche Kontaktaufnahme hinausgeht, ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes als unlauterer Wettbewerb zu beurteilen.

In dem zu entscheidenden Fall hatte der Personalberater die Mitarbeiterin trotz ihres Desinteresses oder vor der Frage nach einem etwaigen Interesse der Mitarbeiterin an einer neuen Stelle mit zentralen Daten aus ihrer Arbeitsbiographie konfrontiert, um bei ihr den Eindruck hervorzurufen, sie sei für die neu zu besetzende Stelle besonders geeignet und er habe dies bereits vorab geprüft. Dies stellt nach Auffassung des BGH bereits ein wettbewerbswidriges Umwerben des angerufenen Mitarbeiters dar.

Selbst im Bereich der Personalwerbung, in dem auf Grund der grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen der Personalberater und der umworbenen Mitarbeiter eine Ausnahme vom generellen Verbot der Telefonwerbung gemacht wird, ist die Telefonwerbung also nur innerhalb sehr enger Grenzen zulässig.